
Karpaltunnelsyndrom: Engpassbedingte Schmerzen
Periphere Nerven sind zwar unter anderem für die Schmerzweiterleitung zuständig, können aber auch selbst von Schmerzen betroffen sein. Um herauszufinden, ob der Schmerz nervendingt ist, bedarf es einer hohen Expertise sowie der Zusammenarbeit verschiedenster Fachrichtungen. 55PLUS-magazin hat mit einem Nervenchirurgen gesprochen, der chronischen Schmerzen den Kampf angesagt hat.Sonja Streit: Sie sind Facharzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie und auf Nervenchirurgie spezialisiert. Wie kam es dazu?

Was versteht man unter Nervenkompressionssyndromen oder -problemen?
Unser peripheres Nervensystem liegt außerhalb von Hirn und Rückenmark, erstreckt sich vom Rückenmark in die Finger und Zehen bis hinauf und verbindet so das Zentralnervensystem mit der Peripherie des Körpers. Es ist, wenn man so will, wie ein Stromkabel, das durch unsere Extremitäten verläuft. Wird ein Nerv oder Nervenast eingeengt, zum Beispiel durch Narben- oder Bindegewebe, durchtrennt oder verletzt, reagiert er mit Schmerzen. Oftmals lässt sich solch eine Problematik nur chirurgisch lösen, indem man den Nerv freilegt oder verlagert.
Welches Nervenkompressionssyndrom ist das häufigste oder bekannteste?

Wie äußert sich das Karpaltunnelsyndrom?
Das ist recht unterschiedlich. Die meisten Patienten berichten von eingeschlafenen Fingern, Ameisenlaufen, Kribbeln, Schmerzen oder dem Wunsch, die Hand auszuschütteln. Oftmals raubt ihnen das Syndrom den Schlaf, weil die Hand einschläft, die Schmerzen bis in die Schulter strahlen oder sich ein unangenehmes Taubheitsgefühl bemerkbar macht. Die Feinmotorik ist gestört, Daumen, Zeige- und Mittelfinger schmerzen und sind kraftlos und fühlen sich „bamstig“ an. Kein Patient ist wie der andere, weshalb das sehr individuell zu betrachten ist. Manche haben die genannten Symptome und dazu ein typisches klinisches Zeichen wie elektrisierende Missempfindungen bei Beklopfen des Nervenversorgungsgebietes (Hoffmann Tinel), andere wiederum sind lediglich von manchen Symptomen betroffen.
Wie wird das Karpaltunnelsyndrom diagnostiziert?

Meine Kollegen vom Private Ultrasound Center, das in unsere Ordination eingegliedert ist, betreuen meine Nervenschmerzpatienten und unterstützen mich bei der Diagnosestellung. Vor allem beim Karpaltunnelsyndrom ist der hochauflösende Ultraschall eine sehr wichtige Zusatzuntersuchung, das es bei dieser Pathologie eine sehr hohe anatomische Variabilität gibt. Des Weiteren findet sich bei einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Fällen ein negatives Ergebnis der Nervenleitgeschwindigkeit. Mittels Ultraschall lässt sich die Diagnose jedoch aufgrund der Einengung des Nervs bestätigen. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist diesbezüglich von großer Bedeutung, da ich nur operiere, wenn die Notwendigkeit besteht und ich Betroffenen wirklich helfen kann.
Wie lässt sich das Karpaltunnelsyndrom chirurgisch beheben?
Im Rahmen des Eingriffs durchtrenne ich das zu enge beugeseitige Hohlhandband, um den Druck vom darunter liegenden Nervus medianus zu nehmen. Ich bevorzuge eine offene Operationstechnik mit Hautschnitt, obwohl der Eingriff auch endoskopisch durchgeführt werden kann. Der Schnitt erfolgt im Handballen, worauf eine Befreiung des Karpalbandes und dessen Durchtrennung folgen. Ist der Nerv von Verwachsungen oder wucherndem Bindegewebe betroffen, wird dies anschließend entfernt.
Erfolgt der Eingriff in Vollnarkose?
Nein, eine Vollnarkose ist nicht nötig. Die Operation kann in Dämmerschlaf oder Armplexus-Anästhesie durchgeführt werden. Das wird individuell entschieden und ist vom Allgemeinzustand des Patienten abhängig.
Wie lange sollte man sich nach dem Eingriff schonen?

Dr. Veith Moser ist Facharzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, Handchirurgie und Nervenchirurgie, gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Plastische Chirurgie und Handchirurgie sowie Oberarzt am Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler.
Nähere Informationen:
www.nervenschmerz.com
www.puc-vienna.at
Ein Gesundheitsbeitrag von Mag. Sonja Streit.

