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Marktmacht 50plus

Die neue Macht der Erfahrenen. Interview mit Hans-Georg Pompe, Marketingexperte und Buchautor.
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Sie war eine fast vergessene Zielgruppe. Und sie ist heute der „Shootingstar“ am Werbehimmel, begehrt und hofiert, erkoren zur „Trendzielgruppe“ 50plus. Vorbei sind die Zeiten des angestaubten Images, das die Menschen in den besten Jahren umwehte. Menschen ab 50 werden heute mit attraktiven Attributen benannt, sie sind dynamisch, leistungsstark, anspruchsvoll. Längst stellen Werbeexperten die Wünsche, Ziele, Visionen der jungen Älteren in den Mittelpunkt ihrer Strategien, erfüllen nahezu alle Branchen ihre Bedürfnisse nach Komfort und Service, verpassen dieser Generation einen modernen Namen: Best Ager.

Alle reden über den demografischen Wandel – aber kaum ein Unternehmen tut wirklich etwas in der Umsetzung. 40 Prozent der Deutschen und Österreicher sind über 50 Jahre. In wenigen Jahren werden es über die Hälfte der Bevölkerung sein. Und noch immer regiert der gnadenlose Jugendwahn. Das Augenmerk darf aber nicht nur der Kaufkraft dieser Altersgruppe gelten, die mit über 120 Milliarden Euro pro Jahr sehr verlockend ist. Es braucht vor allem ein adäquates Dienstleistungsverständnis, um Best Ager nachhaltig als Kunden oder Patienten zu gewinnen und zu halten. Und die Menschen 50plus werden zunehmend ihre gesellschaftspolitische Marktmacht einzusetzen wissen, Produkte abwählen oder empfehlenswerte Dienstleistungen und Produkte gezielt weiterempfehlen.

Hans-Georg Pompe / Zum Vergrößern auf das Bild klickenHans-Georg Pompe, Marketingexperte und Autor, nahm sich in seinem neuen Buch Marktmacht 50plus dieser Zielgruppe besonders an und diskutierte in einem Interview mit dem 55PLUS-magazin.net über die noch schlummernde Macht der 50plus Generation und Möglichkeiten diese optimal anzusprechen.

55PLUS-magazin: Welche Branchen bemühen sich um die Menschen über 50 verstärkt?
Hans-Georg Pompe: Leider noch viel zu wenige. Zu den Branchen, die sich um die Best Ager zunehmend „kümmern“ oder zumindest bemühen zählen die Tourismuswirtschaft, Finanzdienstleistungsanbieter wie Versicherungen und Banken, die Wohnungswirtschaft, der Einzelhandel, die Konsum- und Luxusgüterindustrie und die Nahrungs- und Genussbranche. Untersuchungen sprechen davon, dass erst jedes fünfte Unternehmen sich der Zielgruppe 50plus und deren echten Bedürfnissen an Produkte und Dienstleistung intensiver widmet – obwohl man schon seit dem Jahr 1968 (!) über das Thema spricht und seit vielen Jahren die Notwendigkeit zwar erkannt, aber nicht entsprechend gewürdigt hat. Denn zwischen Wissen und Umsetzung klafft in vielen Branchen und Unternehmen leider immer noch eine Riesenlücke. Menschen sind „Gewohnheitstiere“ und ändern erst dann etwas, wenn sie von außen - sprich vom demografischen Wandel und härter werdenden Wettbewerb - dazu gezwungen werden.

55PLUS-magazin: Welche Ansprüche stellen Menschen ab 50 an die Werbung?
Hans-Georg Pompe: Menschen 50 plus sind nicht alleine durch Werbung zu begeistern, sondern in erster Linie durch gelebte Begeisterung im Geschäft, im Restaurant oder wo auch immer – letztlich aber immer über die persönliche Wertschätzung und Strahlkraft der Verkäufer oder Berater. Erfahrene Menschen sind nicht zuletzt aufgrund ihrer Konsumerfahrung gegenüber Werbung eher skeptisch, aber durchaus offen. Kunden 50plus sind reifer, wählerischer, unberechenbarer, sprunghafter, anspruchsvoller, sensibler – aber in ihren tiefen Bedürfnissen sind sie einfach strukturiert. Das bedeutet für die Werbung, sie da zu erreichen, wo sie sich gerade im Lebenskontext befinden. Werbung muss glaubwürdig und informativ sein. Werbung sollte das Lebensgefühl der avisierten Mikro-Zielgruppen 50plus abbilden und die Botschaften nachvollziehbar darstellen. Mit sensibler Tonalität, klar, offen, direkt, respektvoll, authentisch, frisch, humorvoll, amüsant, durchaus auch charmant und prickelnd. Werbung sollte Lust auf mehr machen, eine persönliche Beziehung zum Kunden 50plus aufbauen, Problemlösung und Mehrwert aufzeigen – mit einer einfachen Sprache und gut lesbaren Schriften. Werbung sollte im Idealfall immer an die schleichenden Insuffizienzen, aber auch an die noch vorhandenen Fähigkeiten der älter werdenden Zielgruppe denken – aber niemals darüber reden oder schreiben, das Alter alleine hat mit einer Produktwahl zunächst nichts zu tun.

55PLUS-magazin: Wann ist Werbung für Sie authentisch?
Hans-Georg Pompe: Werbung ist für mich authentisch, wenn sie mich innerlich berührt oder anmacht, mich zum Schmunzeln bringt, wenn sie anders als gewöhnlich ist, wenn sie mich begeistert. Ich will nicht nur ein Produkt, sondern das Design muss mich genauso ansprechen wie der Nutzen, den ich durch den Kauf des Produkts oder der Dienstleistung bekomme. Ich würde mir niemals ein typisches Seniorenprodukt wie z.B. ein Seniorenhandy kaufen – aber durchaus ein intelligentes Handy mit Zoom, hoher Bedienerfreundlichkeit und fetzigem Design. Man sucht mit zunehmendem Alter Produkte, mit denen man sich identifiziert, die „Charakter“ und Stil haben, die einfach zu einem passen.

55PLUS-magazin: Wie wollen Sie angesprochen werden?
Hans-Georg Pompe: Ich will verführt werden. Ich will von sympathischen Menschen charmant umworben werden. Ich will Gegenwert für meine Investition – in Form von Lebens- oder Glücksgefühl. Ich will in meinen Wünschen und Sehnsüchten ernst genommen werden. Dann bin ich gerne bereit, auch mehr Geld auszugeben. Klischees, Anglizismen, Phrasen, Werbesprüche, Klischees, subtile, zu direkte oder gar naive Ansprache, die nur auf mein Portemonaie abzielt lehne ich kategorisch ab.

Fazit: Der Kunde 50plus stellt die Macht dar – nicht das Unternehmen. Kunden 50plus sind die Zielgruppe Nr. 1 für florierende Geschäfte in der Zukunft für nahezu alle Branchen, die mit Dienstleistung etwas zu tun haben. Sie bieten bei konsequenter Ansprache ein enormes Wachstumssteigerungspotenzial und haben noch mindestens 25 Jahre Kundenbindungsrelevanz, eine gigantische Kaufkraft und Konsumlust, wenn man sie dazu glaubwürdig und wertschätzend verführen kann. Argumente genug. Was will man mehr?

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