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St. Vigil findet jedes Jahr ein ganz besonderes Festival statt. Der kleine beschauliche Ferienort am Rande des Naturparks Fanes-Sennes-Prags schmiegt sich idyllisch in eine Mulde des Ennebergtals. Er hat gerade mal 1500 Einwohner und er ist eine Hochburg für Schnee und Eiskünstler aus der ganzen Welt.


Seit fast einem viertel Jahrhundert pilgern sie in das Südtiroler Gadertal und schaffen dort ihre flüchtigen Kunstwerke. "Wenn es gut läuft, stehen sie bis Ende März", sagt Martin Resch, Chef des Tourismusvereins San Vigilio. Und es läuft gut – eigentlich. Es ist der zweite Tag des 24. internationalen Snow Festivals in St. Vigil. Alles läuft nach Plan. Das Wetter spielt mit, die „milden“ Temperaturen erleichtern das Arbeiten.


Den gigantischen drei mal drei Meter Quadern, aus Wasser und hoch verdichtetem Kunstschnee können sie jedoch nichts anhaben. Und trotzdem: „Die Stimmung ist gerade ganz unten!“ Der Schneeräumer hat dem Obelix aus Schnee, Wasser und Eis das Bein amputiert. Marius Golser von der Berufsfachschule für Steinbearbeitung Laas ringt um Fassung. Ein wenig zerknirscht betrachtet er den Schneehaufen. Vor Minuten war der noch der Fuß des Obelix.
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abei liegen die Teams gut in der Zeit. Nur die Briten müssen Gas geben. Die „Crab“, die man so niemals im Schnee finde, betont Sarah Osborne, hat noch dicke Schneepolster auf den Scheren.
„Obelix und Idefix“ hingegen sind gut zu erkennen. Doch jetzt müssen sie in die Ambulanz. Für Marius heißt das: rein mit den Händen in den eiskalten Schnee und ein ordentliches Bein formen. Seit sechs Tagen werkelt Marius, zusammen mit zwei weiteren Laaser Bildhauern und neun weiteren Teams bei Minustemperaturen an den Schneeskulpturen. Am Fuße eines Rodelhügels, entlang der Hauptstraße durch den Wintersportort sägen, schaben und spachteln sie. Sie kommen aus China, Tschechien, England, Russland, Litauen, den USA, Finnland, Deutschland und Südtirol.
„Wir waren von Beginn an ein internationales Festival“, sagt Tourismuschef Martin Resch. „Als eines Tages eine chinesische Delegation aus Harbin, dem größten Snowfestival der Welt, bei uns sozusagen um die Hand anhielt, waren wir so erstaunt wie erfreut.“ „Damit haben sie uns wirklich geadelt“, sagt Resch. „Weil hier im Ort und beim Festival die Atmosphäre so toll ist. Das war ihre Begründung.“


Viktorija Ruskonyte, Künstlerin aus Litauen schwärmt: „St. Vigil ist ein so gemütlicher Ort.“ Ein wenig frierend kratz sie am Eisblock: Sie will wiederkommen, möglichst bald. Wer würde das nicht wollen? Der kleine Ort liegt auf 1201 Metern Höhe. Er ist umgeben von gut 1200 Pistenkilometern Dolomiti Superski. In wenigen Minuten erreicht man die Skipisten des nahe gelegenen Skigebiets Kronplatz. Der Ort hat sich zu einem beliebten Ziel für Wintersportfreunde entwickelt. Und das, ohne auf den Charme und den Luxus kleiner Strukturen zu verzichten. Auch die 30 Künstler waren erst Skifahren am 2275 Meter hohen Hausberg Kronplatz. Danach machten sie sich an ihr kühles Werk. An den gemeinsamen Abenden lockten die ladinische Küche und die Kultur des Tals zu Erkundungstouren.


Langsam verwandelt sich Viktorija Ruskonytes Schneeblock in zwei schmusende Pinguine. Fast alles ist erlaubt. Am Ende wird es eine bunte Mischung aus abstrakten Skulpturen, Sagen- und Comicfiguren, Tieren oder schlicht eine Fantasie wie das Landscape Museum des chinesischen Teams.


Wer diesen leicht frostigen Wettbewerb gewinnt, entscheiden Gäste, Passanten und St. Vigiler. Mit einer Karte wählen sie ihre Lieblings-Schneeskulptur. Obelix und Idefix lassen die Herzen schmelzen. Marius und seine Bildhauerkollegen haben das kleine Malheur mit dem Fuß längst vergessen. Ihr Obelix ist der glitzernd weiße Sieger des 24. Snow Festivals St. Vigil.
"Der größte Preis aber ist hier dabei zu sein“, sagt Anton Kashcheev vom russischen Team. Und das finden nicht nur die Schneekünstler. Auch St. Vigils Gäste sind jedes Jahr aufs Neue begeistert.
Nähere Informationen:
www.sanvigilio.com www.kronplatz.com Ein Winter- & Festivaltipp von
Flora Jädicke.
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