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Schadenersatz bei Radfahren ohne Helm

Ein Tipp des Rechtsexperten des 55PLUS-magazins RA Dr. Wolfgang Punz.
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Das Radfahren ohne Helm ist nicht als „sorglos“ zu bewerten, so der OGH.

Die Allgemeinheit ist nicht davon überzeugt, dass man beim Radfahren einen Helm aufsetzen müsste. Das ist wahrscheinlich deswegen, weil es noch kein Gesetz gibt, welches sie dazu verpflichtet.
Obwohl das Verletzungsrisiko durch das Tragen von Helmen geringer ist, verzichten viele auf ihn. Der OGH hat dabei entschieden, dass das Fahren ohne Helm nicht als „Sorglosigkeit in eigener Angelegenheit“ zu werten ist.

Folgendes ereignete sich:
Ein Verkehrsunfall, an welchem ein vierzehnjähriger Radfahrer und ein sechzehnjähriger Motorfahrradlenker beteiligt waren. Der Junge am Fahrrad, der keinen Helm trug, hielt sich mit der Hand an der rechten Seite des Gepäckträgers des Motorfahrrades fest und ließ sich ziehen. Der Lenker des Motorfahrrades fuhr dabei ca. 15-20 km/h wobei der Bub die Kontrolle über sein Fahrrad verlor und dadurch zum Sturz kam. Er erlitt bei diesem Unfall ein Schädelhirntrauma zweiten Grades, eine Rissquetschwunde am Hinterkopf links und diverse oberflächliche Hautabschürfungen. Hätte der Bub einen Fahrradhelm getragen, wäre er mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Kopfverletzungen davon gekommen.

Aufgrund dessen wollte der Motorfahrradlenker beziehungsweise seine Versicherung dem verletzten Knaben die größere Schuld geben. Das Erstgericht entschied: Sowohl der jüngere als auch der ältere Bub hätten den Vorschriften der §§ 68 Abs 3 lit b und 69 Abs 2 erster Satz StVO zuwidergehandelt, wonach es verboten sei, sich mit einem Fahrrad durch Festhalten mit der Hand an ein anderes Fahrzeug anzuhängen, um sich ziehen zu lassen. Dieses Verbot gelte sinngemäß auch für Motorfahrräder. Verschuldensteilung 1:1.
                       
Das von allen Parteien angerufene Berufungsgericht entschied:
Der sechzehnjährige habe als Lenker des Motorfahrrades den Verkehrsunfall verschuldet, weil er dem zum Unfallszeitpunkt 14-jährigen Kläger ausdrücklich erlaubt habe, sich am Gepäckträger des Motorfahrrades festzuhalten. Bei Abwägung der Verschuldenskomponenten sei die höhere Einsichtsfähigkeit des älteren Knaben gegenüber dem zum Unfallszeitpunkt noch nicht 14-Jahre alten Knaben zu berücksichtigen, weshalb eine Verschuldensteilung von 2:1 (die Versicherung muss zwei Drittel Schmerzensgeld zahlen) zu Lasten des Motorfahrradlenkers gerechtfertigt sei. Als verschuldensbegründendes Verhalten komme nach Maßstab des § 1297 ABGB eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten in Frage.

Der OGH bestätigt die Entscheidung des Berufungsgerichts betreffend der Verschuldensteilung 2:1 jedoch sieht er die Sache bezüglich „Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten“ anders: Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung zum Tragen eines Fahrradhelmes, trotz seines Nutzen. Der Bub, dem die Gefahr des Gezogenwerdens von einem anderen Fahrzeug bewusst war, hat demnach gegen die Bestimmung des § 68 Abs 3 lit b StVO verstoßen (sich mit einem Fahrrad an ein anderes Fahrzeug anzuhängen, um sich ziehen zu lassen). Dem Vierzehnjährigen wäre daher nur dann eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen, wenn er Schutzmaßnahmen unterlassen hätte, die nach dem allgemeinen Bewusstsein der beteiligten Kreise von jedem Einsichtigen und Vernünftigen anzuwenden gewesen wären. Dass sich aber bereits ein allgemeines Bewusstsein gebildet habe, auf Radwegen Helme zu tragen, ist nicht hervorgekommen. Die Nichtbenützung des Fahrradhelmes kann daher dem Kläger nicht als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorgeworfen werden.
Es spielt also keine Rolle, dass der Bub keinen Helm trug!

Ein Tipp des 55PLUS-Rechtsexperten RA Dr. Wolfgang Punz.


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