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Amber Trail - Auf der mährischen Bernsteinstraße

Eine Reise in die Vergangenheit.
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Tschechien - Renaissanceschloss Gross-Ullersdorf

Für Jahrhunderte bestimmte der Schmuckstein – versteinertes Harz aus den versunkenen Wäldern des Samlandes an der Ostsee – die Handelswege quer durch Europa von Nord nach Süd durch das heutige Polen, Tschechien, Niederösterreich, Slowenien bis an die Adria. In Mittelmähren folgte die Bernsteinstrasse alten Wegen über Olmütz ins Sudetenland und weiter nach Schlesien. Die mährische Bernsteinstrasse ist neben der niederösterreichischen der malerischste Abschnitt des mehrere tausend Kilometer umfassenden Weges.

Tschechien - Unterer Marktplatz in Olmütz / Zum Vergrößern auf das Bild klickenVerlässt man Niederösterreich bei Drasenhofen, dann sollte man den „Amber-Trail“ östlich von Brünn in Olmütz (Olomouc), jener Stadt in der Franz Josef zum Kaiser proklamiert wurde und die Jahrhunderte lang – im Habsburgerreich belächelt – immer von ihrer römischen Vergangenheit sprach (das heutige Stadtwappen trägt neben dem mährischen Adler die Buchstaben SPQO = Senatus Populusque Olomucium!), beginnen. Der römischen Vergangenheit verpflichtet, errichtete man in der Renaissance am oberen Stadtplatz einen Brunnen für Julius Caesar. Dass die Olmützer mit der Herleitung ihrer römischen Vergangenheit Recht hatten, wurde erst im Jahre 2006 Gewissheit. Bei Ausgrabungen entlang der Bernsteinstrasse stießen Archäologen im Stadtgebiet auf ein römisches Lager mit Befestigungen und zahlreichen Bodenfunden, die alle aus der Zeit der Markomannenkriege unter Kaiser Marc Aurel stammten. Kein Mensch hätte bis dahin so weit nördlich der Donau ein Lager römischer Legionen vermutet.

Tschechien - Stadtpfarrkirche in Mährisch-Neustadt / Zum Vergrößern auf das Bild klickenEntlang der alten Routen führte uns der Weg weiter in Richtung Sudetenland im Gesenke (Jesenik), dessen höchste Erhebung der Altvater ist. Die Städte und Dörfer hier, an der Spitze Groß Ullersdorf (Velke Losiny) und Mährisch Schönberg (Sumperk), haben weitestgehend den Charakter ihrer seinerzeitigen deutschen Einwohner erhalten. In der Tourismusbranche ist man bestrebt vor allem den Besuchern aus den deutschen Ländern Teile eine unverfälschte Vergangenheit bieten zu können.

In Groß Ullersdorf ist in unseren Tagen die letzte Papiermühle Mitteleuropas noch immer in Betrieb, in der handgeschöpftes Papier in Jahrhunderte lang geübter Praxis hergestellt wird. Die Enkelkinder der seinerzeitigen Besitzer werden immer wieder bei Führungen angetroffen, die Führerin selbst ist eine Sudetendeutsche, die wie sie uns sagte „der Liebe zu einem Mann wegen in Tschechien verblieben ist“. Hier gibt es auch ein romantisches Renaissance Schloss aus dem 16. Jahrhundert mit blutiger Geschichte: Vor dem Schloss fand eine der letzten Hexenverbrennungen im Habsburgerreich statt.

Wir spazieren durch das abendliche Schönberg, aus einem Cafehaus dringen Opernarien, die mich an den bekannten Opernsänger Leo Slezak erinnern, der hier geboren wurde.

Tschechien - Deutschritterordensburg in Busau / Zum Vergrößern auf das Bild klickenIm nahe gelegenen Busau (Bouzov) erleben wir die Romantik des Deutschen Ritterordens, der das Anwesen im 19. Jahrhundert zu seinem mährischen Domizil erwählt hatte. Der Ritterorden war bis 1939 Besitzer der Burg, die von den deutschen Besatzern enteignet wurde und 1945 an den tschechischen Staat fiel. Jetzt kämpft der Ritterorden gegen die zweimalige Enteignung.

Tschechien - Jagdmuseum der Liechtensteiner in Mährisch-Aussee / Zum Vergrößern auf das Bild klickenIn Mährisch Aussee (Usov) wartet ein einzigartiges Jagdmuseum in einem Schloss aus dem 17. Jahrhundert auf seine Besucher. Das Schloss – seit Jahrhunderten im Besitze der Liechtensteiner – war im Jahr 1900 von Fürst Johann II. von und zu Liechtenstein als Jagd- und Naturmuseum für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. 1945 musste auch dieses Geschlecht Tschechien verlassen.

Erinnerungen an das Sudetenland und seine seinerzeitigen Bewohner pflegt Ing. Martin Cernohous, ein Innenarchitekt, der es sich zur Aufgabe gemacht hat mit einer Handvoll Gleichgesinnter die deutsche Vergangenheit aufzuarbeiten: Der Friedhof in dem kleinen Flecken Beckengrund (kein tschechischer Name bekannt) wurde restauriert, die Grabsteine wieder aufgestellt und die ehemalige Kirche des Ortes zu einer Kapelle der Vertriebenen umfunktioniert, deren Namen in mühsamer Kleinarbeit in Deutschland ausgeforscht wurden und die sich hier jährlich zu einem „Orgelkirtag“ treffen. Hatte doch Beckengrund bis 1945 die einzige Orgelfabrik Mittelmährens, heute neben den vielen leer stehenden Häusern nur noch Ruine.

Die höchste Erhebung hier, den Altvater, sollte man erst im späten Frühjahr besteigen, da die Kuppe und die angrenzenden Gipfel des Gesenkes von November bis hin im April vom Schnee bedeckt bleiben.

Reiseinfo: Täglich von 7:12 Uhr von Wien nach Ostrava (Mährisch Ostrau).
Neu: Sparschiene-Ticket (mehrmals täglich) über Brünn nach Prag (mit Umsteigemöglichkeit zur billigen tschechischen Bahn CD) 29 €, es gibt auch eine Sparschiene (inkl. 3 Tage alle Verkehrsmittel in Prag) hin und zurück um 65 € (Umsteigemöglichkeiten), weiters Wien-Brünn um 19 €.
Mit dem Bus nach Brünn (umsteigen nach Olomouc, Sumperk, Velke Losiny etc.) um 5.80 €.
Info: www.oebb.at, tourbus@tourbus.cz, info@eurolines.at,

Amber Travel s.r.o.
CZ-69201 Mikulov, Namesti 30
www.ambertravel.cz

Ein Reisetipp von Peter Soukup.

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