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Die übergangene Stieftochter

Ein Tipp des 55PLUS-Rechtsexperten RA Dr. Wolfgang Punz.
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Die übergangene Stieftochter

Der aktuelle Fall:
Johanna aus Stockerau fühlt sich übergangen. Ihre Mutter ist vor wenigen Jahren gestorben, ihr Vater schon 20 Jahre früher. Die Mutter hat danach noch ein zweites Mal geheiratet, jetzt ist Johannas Stiefvater in hohem Alter gestorben. Beim Tod ihrer Mutter hat Johanna auf ihr Erbteil verzichtet, damit ihr Stiefvater das Haus bekommt und dort wohnen kann. Sie hat aber immer damit gerechnet, dass sie einmal das Haus ihrer Mutter bekommen wird. Leider ist der Stiefvater ohne Testament gestorben und ein unehelicher Sohn von ihm erhebt nun Anspruch auf alles. Welchen Anspruch hat Johanna?


Leider hat Johanna überhaupt keinen Anspruch, da hier wirklich der schlimmste Fall eingetreten ist. Johanna hat als Stiefkind kein gesetzliches Erbrecht gegenüber dem Stiefvater, ganz im Gegenteil zu dessen Sohn, der daher Alleinerbe ist.

Das Haus hat Johannas Eltern gehört, warum bekommt sie es nicht?

Sicher hat es ihnen gehört, allerdings ist nach dem Tod von Johannas Vater alles an ihre Mutter gegangen. Dass Johanna nach dem Tod ihrer Mutter auf ihr Erbteil verzichtet hat, war gegenüber dem Stiefvater gut gemeint, hat sie aber um das Erbe gebracht. Der Stiefvater war (rechtlich) nicht dazu verpflichtet, ihr das Haus oder sonst etwas zu hinterlassen, moralische Verpflichtungen zählen hier wenig. Vielleicht hat er auf das Testament vergessen, vielleicht war es ungültig oder es ist "verschwunden", ohne dass sich etwas nachweisen lässt. Dadurch tritt nach dem Stiefvater die gesetzliche Erbfolge ein, es erben also primär die Kinder. Im konkreten Fall bekommt der einzige Sohn alles, nachdem keine erbberechtigte Ehegattin vorhanden ist. Erbberechtigt sind neben den leiblichen Kindern (unehelich oder nicht spielt seit einiger Zeit gar keine Rolle) auch Adoptivkinder, nicht aber Stiefkinder, also uneheliche oder voreheliche Kinder des anderen Ehegatten.
Johanna als Stiefkind hat auch (erst recht) kein Pflichtteilsrecht, das haben nur Kinder und Ehegatten, sie darf also von Gesetzes wegen völlig übergangen werden.

Wie verhindert man so ein Desaster?

Ein Weg wäre eine Adoption gewesen. Wenn Johanna nach dem frühen Tod ihres Vaters wirklich lange eine Nahebeziehung zu ihrem Stiefvater gehabt hat, sollte das auch gar kein Problem darstellen. Selbst eine erst viel später erfolgte Adoption, weil der Stiefvater für seine letzten Lebensjahre durch die Adoption eine verstärkte Bindung der Stieftochter an ihn erreichen möchte, wurde vom Obersten Gerichtshof als gerechtfertigtes Anliegen eingestuft und damit zugelassen.
Als Adoptivkind wäre sie erbberechtigt gewesen, freilich hätte sie sich dann das Haus mit dem Stiefbruder teilen müssen, was sehr oft zu Streit führt, der mit großen finanziellen Verlusten für alle Beteiligten endet. Besser wäre daher in solchen Fällen eine erbrechtliche Regelung, die Johanna das Haus nach dem Tod des Stiefvaters sichert.

Wie kann so eine erbrechtliche Regelung aussehen?


Das ist natürlich von Fall zu Fall verschieden, einige Lösungsansätze sind folgende:
- Viel verhindert schon ein rechtzeitig gemachtes und bei einem Rechtsanwalt oder Notar hinterlegtes Testament, das nicht einfach verschwinden kann.
- Allerdings können Testamente jederzeit geändert werden, der Stiefvater könnte Johanna also streichen, dementsprechend hätte schon die Mutter eine saubere Lösung hinterlassen sollen.
- Beispielsweise hätte die Mutter das Haus zwar ihrem Mann als Erben hinterlassen können, als Nacherbin nach ihrem Mann aber Johanna einsetzen können. Der Stiefvater wäre dadurch zwar Hauseigentümer geworden, hätte aber das Haus weder verkaufen können noch es seinem Sohn hinterlassen. Eine ähnliche Möglichkeit wäre gewesen, das Haus direkt Johanna zu vermachen, dem Stiefvater aber ein lebenslanges Wohn- oder Fruchtgenussrecht zu geben, damit er in Ruhe seinen Lebensabend im Haus verbringen kann. Johanna wäre so schon formal Eigentümerin geworden, hätte allerdings die komplette Nutzung dem Stiefvater bis zu dessen Tod einräumen müssen.

Welche dieser und ähnlicher Möglichkeiten die passende und steuerlich günstigste ist, lässt sich nur bei einer Beratung im Einzelfall klären.

Ein Tipp des 55PLUS-Rechtsexperten RA Dr. Wolfgang Punz.


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