265 Kilometer in 5 Radtagen rund um die Schweizer Bundesstadt Bern. Eine kurze Etappenbeschreibung.
Die Etappen im Überblick:
Etappe 1 - von Bern nach Langnau im Emmental (leichte/kürzere Strecke)
Etappe 2 - von Langnau nach Thun
Etappe 3 - von Thun nach Guggisberg (die Bergetappe)
Etappe 4 - von Guggisberg über Fribourg nach Murten
Etappe 5 - von Murten zurück nach Bern
Etappe 1: Bern - Langnau (leicht)
52,16 km - ↑ 360 m - ↓ 208 m
Hinweisschilder Nummer 34 (von Bern bis Kirchberg), 24 (von Kirchberg bis Langnau).
Montag. Nachdem wir die Eurotrek Leih-E-Bikes am Hauptbahnhof in Bern ausgefasst haben, ging es bei einsetzendem Regen los. Da der Wetterbericht für den ersten Tourentag ganz schlecht war und sogar Starkregen für die Mittagszeit vorhergesagt wurde, beschlossen wir gleich zu Beginn, die kürze - und auch deutlich leichtere - der beiden angebotenen Etappenversionen zu wählen.
Schon daheim haben wir uns die Offline-Version der Eurotrek App downgeloadet, um einen übermäßigen Datentransfer vor Ort zu vermeiden. Gleich vorweg an dieser Stelle, ein wichtiger Hinweis. Erwerben Sie unbedingt schon vorab bei Ihrem Handyprovider ein Mobiles-Daten-Paket für Drittländer, denn die Kosten für mobile Daten in der Schweiz sind wirklich exorbitant hoch, unter Umständen sogar ruinös. Mitunter kostet der Download für läppische 1 MB Daten 10,00 EUR Normalpreis. Zum Vergleich, mein 1 GB Datenpaket kostete 4,99 EUR, meine Radbegleiterin bekam bei ihrem Provider fürs gleiche Geld sogar ein 5 GB Datenpaket.
Eurotrek bietet zudem auch die kompletten GPS-Daten der Etappen zum Download an, was für alle jene interessant ist, die eigene Navigationsgeräte haben und diese bei der Radrundfahrt benutzen wollen. Ich zum Beispiel habe meine Polar Sportuhr als Navigator verwendet und die Handy-Navigations-App nur sporadisch zur Hilfe genommen, wenn es Unklarheiten gab. Diese kamen zwar äußerst selten, aber doch vor.
Parallel zur digitalen Navigation könnte man sich auch rein analog mithilfe der ausgezeichneten Rad-Wegweiser orientieren, die dicht gesät entlang der Radwege aufgestellt sind. Theoretisch jedenfalls, denn die große Bern-Rundfahrt weicht mitunter von den vorgegebenen Streckenführungen ab oder kombiniert ausgewiesene Radrouten miteinander, wodurch wieder die Satelliten-gestützte Navigation ins Spiel kommt.
Die erste Etappe der Tour führt jedenfalls genau entlang der Radrouten 34 (von Bern nach Kirchberg) und 24 (von Kirchberg nach Langnau).
Kurz nach Bern beginnt landwirtschaftliches Terrain und setzt sich letztlich die gesamte Rundfahrt in unterschiedlichen Facetten und Ausprägungen fort. Meistens dominiert Viehwirtschaft, in den flacheren Region auch Acker- und Gemüsebau.
Das Besondere der Schweiz, das einem bei dieser Radrundfahrt ins Auge sticht, ist, dass es auf engstem Raum und in relativ kurzen Distanzen eine unglaubliche Vielfalt an Lebens- und Kulturräumen gibt, mit faszinierenden topografischen Extremen. Die höchsten Gebirgszüge Europas mit ihren riesigen Gletschern umrahmen oft die Landschaftskulisse während man durch sattgrüne, sanfte Weideflächen radelt.
Ziemlich genau bei der Hälfte der kürzeren, ersten Etappe erreicht man das Städtchen Burgdorf an der Emme, dessen Schloss auf einem imposanten Felsen über dem historischen Ortskern thront und vor der riesigen Festwiese ein Blickfang ist. Und auch ein Meilenstein der Grand Tour of Switzerland. Weiter geht es dann über Lützelflüh, bekannt für den schriftstellenden Pfarrer Jeremias Gotthelf, der hier bis Mitte des 19. Jahrhunderts lebte, wirkte und auch begraben ist, nach Langnau, dem Endziel der ersten Etappe. Langnau ist eine geschäftige Kleinstadt im Oberemmental, mit vielen historischen Bauten. Bekannt und reich wurde Langnau durch die Emmentaler-Käseproduktion.
Die Übernachtung erfolgte im historischen Hotel Emmental, einem freundlichen Familienbetrieb, mit gut bürgerlicher Küche, die aber montags geschlossen ist. Ersatzweise haben wir daher das Abendessen im Traditionsgasthof Bären eingenommen. Aufgrund des zwischenzeitig einsetzenden Starkregens, der großartigen Küche und des gemütlichen Ambientes genossen wir die Zeit im Bären ausgiebig.
Etappe 2: Langnau - Thun
47,67 km - ↑ 330 m - ↓ 454 m
GPS Daten und/oder Eurotrek App verwenden.
Dienstag. Kurz nach Langnau erwartet einem ein sehr bissiger Anstieg auf eine sanfte, von Landwirtschaft geprägte Hochebene, auf der man letztendlich bis ins Aaretal radelt und vom Emmental ins Berner Oberland. In Münsingen überquert man die Aare, ehe einem der nächste Anstieg einiges abverlangt. Für die Anstrengungen wird man aber von einer lieblichen Landschaft und dem Naturrefugium Gerzensee entschädigt, ständig begleitet von beruhigendem Kuhglocken-Geläute.
Letztlich geht es entspannt Richtung Thun, dem grandiosen Endziel der angenehmen Tagesetappe. Ebenfalls ein Meilenstein der Grand Tour of Switzerland. Für die Besichtigung von Thun sollte man sich unbedingt Zeit nehmen, denn die „moderne historische“ Stadt am Thunersee ist fantastisch. Werfen Sie auch einen Blick auf die Fluss-Surfer, jenen tollkühnen Frauen und Männern, die an den Wehranlagen der Aare in eiskalter Gischt auf der Welle reiten.
Übernachtet und zu Abend gegessen haben wir im Hotel Krone, einem wirklich tollen Haus direkt am Hauptplatz der Stadt, mit exzellenter Küche und überaus freundlichem Personal.
Etappe 3: Thun - Guggisberg (die Bergetappe)
46,45 km - ↑ 816 m - ↓ 263 m
Hinweisschilder Nummer 99 (Thun bis Wattenwil), 4 (Wattenwil bis Rueschegg Graben) und 37 (Rueschegg Graben bis Guggisberg). Faktisch fährt man aber nicht auf der 37, sondern auf der 333.
Wir empfehlen auf dieser Etappe unbedingt die GPS Daten und/oder die Eurotrek App zu verwenden, weil nur die Beschilderung alleine irreführend wäre. Auch ist bei Wattenwil ein „Abstecher mit Ausblick“ vorgesehen, der von der Streckenführung Nr. 4 vollkommen abweicht und auf Umwegen wieder darauf zurückführt. Ohne Satellitennavigation kaum machbar. Meine persönliche Meinung: hätte man sich sparen können, denn es gibt in der Folge wesentlich bessere „Blicke“ auf die Berggiganten.
Mittwoch. Bei strahlendem Sonnenschein starten wir die heutige „Bergetappe“, die uns nach Guggisberg führt, einem rührigen Dorf im Naturpark Gantrisch, mit großartigem Blick in Richtung Westschweiz. Die eher kurze Etappe ist von drei, mitunter heftigen Anstiegen und einem großartigen Panorama geprägt. Bald nach Thun werden die Waden zum ersten Mal auf einer extrem steilen Forststraße gefordert, dann nach Wattenwil und schließlich vom Rueschegg Graben weg bis rauf nach Guggisberg, nur von einem regenerierenden Downhill nach der Rueschegg Kirche unterbrochen.
Oben in Guggisberg, vertritt man sich am besten ein wenig die Beine und entspannt dann, wenn möglich, in einem Liegestuhl bei Sonnenschein, großartigem Weitblick und guter Heuluft.
Übernachtet und zu Abend gegessen haben wir im Hotel-Restaurant Sternen, einem alten, zeitgemäß adaptierten Haus, das familiengeführt ist und einen gewissen freundlich reservierten Charme versprüht. Als wir hier nachmittags ankamen roch es so wunderbar gut aus der Küche, dass wir uns gleich riesig aufs Abendessen freuten. Nun, es blieb aber bei der Vorfreude, denn jedenfalls unser „Eurotrek-Abendmenü“ konnte nicht annähernd mit den hohen kulinarischen Erwartungen mithalten. Eine 0,5 Liter Quellwasser-Karaffe aus der Leitung hat übrigens 6,50 Franken gekostet. Das große, sehr wohlschmeckende Bier war billiger.
Etappe 4: Guggisberg - Murten (via Fribourg/Freiburg)
56,44 km - ↑ 398 m - ↓ 1.064 m
Hinweisschilder Nummer 37 (Guggisberg bis Schwarzenburg), 4 (Schwarzenburg bis Freiburg), 34 (Freiburg bis Petit-Vivy) und 99 (Petit Vivy bis Murten).
Donnerstag. Der vorletzte Etappentag versprach eigentlich einen entspannten Flow mit über eintausend Abstiegsmetern. Aber, es kommt immer anders als man denkt, denn diese Etappe beinhaltet auch einige wirklich bissige Anstiege, die einem vom Downhillrausch rasch wieder ausnüchtern. Ausserdem gibt es rund um Schwarzenburg und Freiburg Streckenabschnitte mit wirklich heftigem Verkehrsaufkommen, die keine Wonne zu fahren sind.
Doch diese mittellange Etappe beinhaltet natürlich auch viele, ganz tolle Abschnitte mit wunderbaren Landschaftsimpressionen und ungefähr bei Halbzeit die Ankunft in Fribourg, zu deutsch Freiburg, einer einzigartigen mittelalterlichen Kulisse mit mediterranem Flair und einer Universität von Weltrang. Völlig zurecht ein weiterer Meilenstein der Grand Tour of Switzerland. Nehmen Sie sich unbedingt Zeit, Fribourg ein wenig zu erkunden und kehren Sie in einem der unzähligen Straßencafés in der Fußgängerzone ein. Apropos FUZO. Wundern Sie sich nicht, die vorgegebene Route führt tatsächlich hindurch.
Gestärkt verlassen wir Fribourg über eine extrem stark befahrene Ausfahrtsstraße mit teils eigenem Radweg, ehe wir nach erfolgreicher Links-Einordnung an einem Kreisverkehr in verkehrsberuhigte Zonen gelangen. Von dort an radeln wir, von dem einen oder anderen fordernden Anstieg abgesehen, vorbei am Schiffenensee bis Murten tiefenentspannt. Übrigens befinden wir uns hier bereits in der französischen Schweiz und sollte man zwischendurch mal das Bedürfnis haben, mit Einheimischen Radgedanken auszutauschen, wäre es kein Nachteil, davor verschüttete Französischkenntnisse auszugraben.
Vorbei an einem riesigen, unglaublich geschäftigen, aber dennoch sehr sauber erscheinenden Schrottplatz stehen wir letztendlich, wie auf einem Feldherrenhügel platziert, oberhalb von Murten, bereit für die letzten Kilometer der heutigen Etappe. Durch das Berntor radeln wir in die Altstadt, gleich danach rechts in die Kirch- und infolge in die Rathausgasse bis zum Hotel Murtenhof und Krone, wo wir zu Abend essen und die letzte Radtour-Nacht verbringen.
Das mittelalterliche Städtchen Murten ist unbestritten ein touristisches Highlight, ein Rundgang durch die Altstadt ein unbedingtes Muss. Die Französische Kirche, das Rathaus sowie die Burg sind perfekte Plätze für Selfies Richtung Murtensee und Jura. Weiter durch die pittoreske Hauptgasse bis zum oberen Brunnen und dann rauf auf die beeindruckende Ringmauer mit dem genialen Ausblick. Zum Abschluss runter an die Seeprominade mit einem leckeren Eis aus der Gelateria Emilia Ecke Ryf - Raffor. Einfach wunderbar.
Das Hotel Murtenhof und Krone ist nebst Radfahrer-Einkehr ein Platz der „besseren Gesellschaft“, was sich auch an den geparkten Fahrzeugen widerspiegelt. So ist denn auch das Verständnis der Belegschaft. Durchaus freundlich, aber eben auch sehr selbstüberzeugt. Das zieht sich bis zum Dinner in zwar toller Wintergarten-Atmosphäre mit fantastischem Blick über den See, aber nur sehr mäßiger Speisen-Zubereitung (bei uns: viel zu weicher, in zerlassener Butter ertränkter Spargel mit ebenso fettigen Beilagenkartoffeln) und manchen ServicemitarbeiterInnen, die mit einem nur Französisch sprechen, ob man´s versteht oder nicht. Aber klar, wir sind hier im französischen Teil der Eidgenossenschaft, das dürfen wir dabei nicht vergessen. Und noch einmal Luft rauslassen: Trotz inkludierter Eurotrek-Buchung mit Abendessen und Lunchpaket für die nächste Etappe, wollte man von uns dafür extra je 15,00 Franken kassieren.
Die Zimmer selbst waren extrem klein, aber zweckmäßig und - wie immer in der Schweiz - sehr sauber. Wie auch immer, Murten ist auf jeden Fall einen Besuch wert!
Etappe 5: Murten - Bern
59,81 km - ↑ 623 m - ↓ 525 m
Hinweisschilder Nummer 44 (Murten bis Kerzers), 94 (Kerzers bis Wickacker), 890 (Wickacker bis Hinterkappelen) und 8 (Hinterkappelen bis Bern).
Auch hier am besten die Satelliten-gestützte Navigation verwenden. Achtung: bei Kirchlindach/Stuckishaus an der Ecke Bündacherstraße - Hostalenweg, rund 10 km vor dem Etappenziel (Hauptbahnhof Bern) dürfte es einen Navigations-Bug geben, denn die App will einem bergab in eine Einbahnstraße (Einfahrt verboten) führen, die keine Ausnahmen für Radfahrer vorsieht. Ein weiträumiges Umfahren der Fehlnavigation war uns zu unsicher, sodass wir unsere E-Bikes die gesamte Länge des Hostalenwegs bergab schoben, bis wir wieder auf der „richtigen“ Route waren.
Freitag. Der letzte Etappentag startete sonnig aber mit starkem, empfindlich kühlem Gegenwind, der uns nahezu 50 der 60 Gesamtkilometer entgegen blies. Der erste Teil der Strecke bis Kerzers ist geprägt von riesigen Gemüse-Gewächshäusern und fruchtbaren Ackerflächen. Der Radweg verläuft dabei entlang der Bahntrasse und ist leicht abschüssig, was bei besagtem Gegenwind aber wenig Vorteil brachte. Nach Kerzers beginnt dann ein mehr oder weniger permanenter Anstieg, der sich faktisch bis zur Forststraße beim Chutzenturm (Frienisberg) hinzieht und mitunter 20%-Rampen offenbart. Trotz E-Bike geht das an die Substanz. Der fantastische Ausblick auf die Westschweizer Drei-Seen-Landschaft (Bieler-/Neuenburger- und Murtensee) und den Jura entschädigt aber für alle Strapazen. Beim Saanesteg erreicht man letztlich erstmals wieder die Aare.
Am Scheitelpunkt der Etappe verläuft die Route auf einer Forststraße östlich des Chutzenturms vorbei, den wir eigentlich besuchen wollten. Im Irrglauben, dass der Radweg direkt am Aussichtspunkt vorbei führen würde, fuhren wir im wahrsten Sinn des Wortes daran vorbei, wollten nach Erkennen des Trugschlusses aber nicht mehr zurück radeln. Für alle, die es besser machen wollen als wir: man müsste von besagter Forststraße den klar ausgeschilderten Fußpfad zum Chutzenturm nehmen, ehe der Forstweg in Richtung Wahlendorf Höhe verliert.
Nach längerer Zeit im Wald gelangt man bei Wahlendorf wieder zurück in die „Zivilisation“ und lässt das Bike im langgezogenen Downhill nach Meikirch ordentlich Fahrt aufnehmen ehe es dann im ständigen Auf und Ab bis nach Kirchlindach geht, den Zielort in Sichtweite und im Bewusstsein, dass sich eine wunderbare Rundfahrt schön langsam zu Ende neigt. Die letzten Kilometer führen entlang der Aare und ab Hinterkappelen durch den riesigen, nahezu verkehrsfreien aber sehr gut erschlossenen Bremgartenwald, bis direkt in die Altstadt Berns.
Der letzte Akt der fünftägigen Großen Bern-Rundfahrt war die Rückgabe der E-Bikes am Hauptbahnhof. Dankbar für eine unfallfreie Tour und all die wunderbaren Eindrücke auf diesen 265 Kilometern und 2.500 Höhenmetern, ließen wir den Tag in Bern relaxt und zufrieden ausklingen.