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Der Berliner Mauerradweg - Wannsee - Potsdam
Nach der City-Tour des Mauerradweges ging es am nächsten Tag in den Westen der Metropole, an die ehemalige Berliner Mauer zu Potsdam. Das eBike im Handgepäck, fuhren wir mit der S-Bahn S7 von der Friedrichstraße zur Station Wannsee. Aufgrund der Größe Berlins eine etwas längere Fahrt. Gleichzeitig ein Sprung von der quirligen City aufs Land, besser gesagt: in den elitären Nobel-Außenbezirk.
Nach einem Pflichtbesuch der Gedenkstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“ (siehe Exkurs), ging es per eBike entlang der Königstraße zum eigentlichen Ziel der heutigen Tour, dem Mauerradweg in Potsdam. Nach knappen 8 Kilometern, die erste Hälfte davon zäh bergauf, erreichten wir das berühmte, sagenumwobene Eingangsportal zur ehemaligen Berliner Mauer, die Glienicker Brücke.
Die 1907 eröffnete Glieniecker Brücke über die Havel, damals offiziell Kaiser-Wilhelm-Brücke, die Berlin mit Potsdam/Brandenburg verbindet, wurde in den letzten Kriegstagen 1945 teilweise zerstört und anschließend wieder instand gesetzt. Im Rahmen der feierlichen Wiedereröffnung durch DDR-Granden im Dezember 1949, wurde sie in „Brücke der Einheit“ umbenannt. Dazu sollte es aber noch 41 Jahre dauern.
Dazwischen erlangte die Glienicker Brücke - Dank Hollywood - als „Bridge of Spies“ Weltberühmtheit, und diente tatsächlich, auch in der Realität, als düsterer Ort von Austauschaktionen im Geheimdienstmilieu.
Nach der Brücke, in Potsdam, radelten wir - auf einem offiziellen Radweg - entlang des Jungfernsees durch den Neuen Garten zum Schloss Cecilienhof und weiter zur Meierei, einem alten Pumpwerk, das geografisch in der Berliner Mauer integriert war.
Schloss Cecilienhof, das während des Ersten Weltkrieges von den Hohenzollern errichtet wurde und bis 1945 das Kronprinzenpaar Wilhelm und Cecilie von Preußen beherbergte, war Schauplatz der so genannten Potsdamer Konferenz. Von 17. Juli bis 2. August 1945 besiegelten hier im Schloss die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, USA - GB - UdSSR (Frankreich war hierbei nicht anwesend), das Schicksal Deutschlands und schafften damit auch, wenn man so will, eine Grundlage für den späteren Mauerbau.
Nach einer kleinen Stärkung in der Meierei ging es wieder zurück über die Glienicker Brücke und gleich danach rechts auf den Mauerradweg zum Schloss Babelsberg, genauer zum davor liegenden Dampfmaschinenhaus, das ebenfalls ein Bestandteil der Berliner Mauer gewesen ist. Von dort aus erhascht man noch großartige Bilder von der Glienicker Brücke und der Seenlandschaft.
Der Mauerradweg führte uns dann weiter entlang des Griebnitzsees durch einen elitären Stadtteil Potsdams, vorbei am Bahnhof Griebnitzsee, und weiter, bis wir an der Kreuzung Bäkestraße - Machnower Straße - Königsweg an ein etwas verwirrendes Mauerweg-Hinweisschild gerieten, das wir anfangs nicht verstanden, da es zwei Wahlmöglichkeiten bot: die Weiterfahrt entlang des Königsweges und jene mit „privatrechtlichen“ Komplikationen. Da uns unsere Smartphone App aber den „problematischen“ als den „richtigen“ Mauerradweg darstellte, nahmen wir eben diesen.
Anfangs führte der Weg unverdächtig und wohl auch vollkommen legal am Kremnitzufer entlang des Teltowkanals, doch irgendwann mal endete alles in der „privaten“ Berliner „Exklaven“-Siedlung Albrechts Teerofen. Guter Rat war jetzt teuer, als eine reifere Berlinerin mit ihrem kleinen Dachshund um die Ecke bog und uns im typisch Berliner Slang anschnauzte, was wir hier suchten. Mit Wiener Eleganz erklärten wir unsere missliche Lage und aus der schroffen Anrainerin wurde eine sanfte, freundliche und sehr hilfreiche Dame, die uns den Weg weiter zeigte.
Zugegeben, allein hätten wir es nicht geschafft und wären wieder zurück zum besagten „verwirrenden“ Mauerradweg-Hinweisschild geradelt. So tat sich uns aber eine Art postapokalytische Szenerie auf. Durch einen schmalen, verwachsenen Pfad und einen kleinen Metallsteg kamen wir zur alten, aufgelassen Autobahntrasse und der teils überwucherten Autobahnbrücke über den Teltowkanal. Ein schaurig schöner Anblick, der in uns kurz den Eindruck erweckte, als wir wären jetzt selbst auf der Flucht über die Mauer.
Der Teltowkanal ist ein wichtiger Verbindungsweg von Berlin (Treptow) direkt nach Potsdam, der wirtschaftlich große Bedeutung hatte und im Kalten Krieg von der DDR gesperrt wurde. Genau hier an der alten Autobahnbrücke am Teltowkanal gab es auch eine der vielen Mauertragödien, die aber diesmal keinen DDR Bürger auf der Flucht betraf, sondern Westberliner, die mit ihrem Motorboot versehentlich auf das Hoheitsgebiet der DDR gelangten und sofort erschossen bzw. schwerst und bleibend verletzt wurden.
An diesen Vorfall erinnert ein offizielles Mauermahnmal nach der Brücke. Und stellte für uns gleichzeitig die nächste Herausforderung dar, wie weiter zu radeln wäre. Geradeaus auf einer Art schwierig zu fahrendem Forstweg oder rechts auf einem gut gepflegten Weg. Wir entschieden uns für die „saubere“ Lösung und lagen falsch. Immerhin bekamen wir den dortigen Campingplatz samt Hotel zu Gesicht und lernten diesen „besonderen“ Ort, Kleinmachnow, an der Stadtgrenze zu Berlin kennen.
Wieder zurück am Ausgangspunkt, dem Mauermahnmal an der aufgelassenen Autobahnbrücke, fuhren wir nun geradeaus weiter, entlang der ehemaligen, rückgebauten und verwilderten Autobahntrasse, wie wir später erfuhren. Dabei kreuzten wir irgendwann mal die Bahntrasse der ebenfalls stillgelegten „Stammbahn“ (vormals Berlin - Magdeburg), deren steinerne Brückenanlage heute Graffiti Künstlern als Leinwand dient (in Google Maps unter dem Begriff TOBO Brücke zu finden).
Letztendlich gelangten wir, mit schon etwas verschlissenen Kräften, auf genau diesen Königsweg, der an dem besagten Mauerweg-Hinweisschild in Potsdam als andere Wahlmöglichkeit angeboten wurde. Unser kleiner Abstecher entlang des „echten“ Mauerverlaufes war aber sicher spannender.
Nach der Brücke über die Autobahn A 115 beim ehemaligen Ost-West-Grenzübergang Dreilinden (Checkpoint Bravo) radelten wir dann in einem Bogen durch den Ortsteil Zehlendorf zum S-Bahnhof Wannsee und fuhren von dort mit der S7 zurück ins Zentrum Berlins. Ein langer, intensiver, unglaublich bereichernder, mitunter abenteuerlicher Tag am Berliner Mauerradweg ging bei einem originellen Abendessen in der Lemke Brauerei am Hackescher Markt zu Ende. Wir werden noch sehr lange davon schwärmen.
Exkurs: Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz
Am 20. Jänner 1942 fand in einer, damals der SS gehörenden, stattlichen, ehemaligen Industriellen-Villa am Großen Wannsee in Berlin, auf Einladung von Reinhard Heydrich ein Meeting führender NAZI Größen statt, auf dem die systematische Ermordung und Auslöschung aller Jüdinnen und Juden geplant und beschlossen wurde. Eine Legitimierung der bisherigen Gräueltaten und die Institutionalisierung der folgenden. Der diabolische, offizielle Startschuss für den Holocaust.
Sehr, sehr lange mussten die, die Shoah überlebenden Opfer und deren Nachkommen für diese Gedenkstätte kämpfen, bis sie letztlich 1992 eröffnet wurde. Sachlich, wissenschaftlich akribisch und mit essentiellen Hintergrundinformationen versehen, erläutert die Ausstellung was genau Fatales geschehen ist, warum dieses Verhängnisvolle geschehen ist und wieso dieses Unfassbare überhaupt geschehen konnte.
Ein Besuch, der sprachlos macht, entsetzt, empört, deprimiert. Ein Besuch, der aufrüttelt und Kraft gibt, absolut alles daran zu setzen, dass ein solch unmenschliches, ungerechtes, schändliches Kapitel der Menschheitsgeschichte niemals mehr geschrieben werden muss!
JV
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