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Der Berliner Mauerradweg - City
Je nach Zeit, die man eingeplant hat, radelt man entlang des Mauerradweges und hält an den ausgeschilderten Stationen mit ihren besonderen Geschichten, oder man steuert gleich ganz konkret die großen Gedenkstätten an.
Je nach dem von wo man die Radtour starten möchte, wird man unter Umständen die Öffis verwenden, um mit dem Fahrrad dorthin zu gelangen. Wir starteten unsere City-Mauerradweg-Tour in Wittenau, im Nordosten Berlins, und fuhren mit der S85 ab der Station Schönhauser Allee dorthin. Für das Rad benötigt man ein eigenes Ticket. Und manchmal ist die S-Bahnfahrt mühsam, doch lohnend.
Die Strecke durch die Stadt führte uns von Wittenau nach Treptow und dauerte rund 8 gemütliche, unglaublich informative, mitunter sehr emotionale und vor allem kurzweilige Radstunden durch die neuere Berliner Zeitgeschichte.
Berlin ist eine Fahrradstadt. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen ist man auf den Berliner Straßen mit dem Rad perfekt aufgestellt. Es gibt großzügige Fahrradstreifen bis hin zu ganzen Fahrradstraßen. Ein geniales Ampel- und Kreuzungssystem bevorzugt die Radfahrer, und die Berliner Autofahrer (KFZ Kennzeichen B) nehmen vorbildlich Rücksicht auf die Radler. Aufpassen muss man nur bei „Nicht-Berliner-Kennzeichen“. Man ist also auch auf dem Mauerradweg durch die City sicher unterwegs.
Die (ehemalige) Mauer selbst gibt es natürlich nur (mehr) an wenigen Passagen zu sehen, dort dafür aber sehr eindrucksvoll. Das sind: die Gedenkstätte Platz des 9. November 1989 - Bösebrücke am ehemaligen Grenzübergang Bornholmer Straße, wo der Fall der Berliner Mauer seinen Ausgang nahm, die außerordentlich emotionalisierende Mauer-Gedenkstätte in der Bernauer Straße und die gigantische East Side Gallery, direkt am Spree-Ufer zwischen den Bezirken Friedrichshain (vor dem Mauerfall DDR) und Kreuzberg, wo internationale Graffiti Künstler der Mauer ihren Schrecken weggesprayt haben. Und eingebettet im ultramodernen Wolkenkratzer Ensemble, die kleinere Gedenkstätte Potsdamer Platz.
Natürlich gehört zu einer Citytour am Mauerradweg auch der Besuch des berühmten Checkpoint Charly, der aber heute doch mehr Show als tiefsinnige Erinnerungskultur bietet. Trotz allem ein Muss.
Am Mauerradweg gibt es auch die eine oder andere Anekdote zu erzählen, die das uniform starre System des DDR Apparats amüsant auf die Schippe nimmt. An der Ecke Betahniendamm - Mariannenplatz gab es ein brach liegendes Grundstück, das zum Gebiet der DDR gehörte, nicht aber von der Mauer umschlossen war.
Zwei türkische Familienväter in einem angrenzenden Westberliner/Kreuzberger Wohnhaus dachten sich, das Grundstück wäre sehr gut geeignet, darauf Gemüse anzubauen und schritten zur Tat. Die konsternierten Wachposten an der Mauer wollten sie verjagen, doch die Türken konterten mit Arbeiter- und Bauernstaat-Parolen und ließen die sozialistische Revolution hochleben. Dies wiederholten sie in selbiger Art gegenüber dem herbeigerufenen DDR- Wachoffizier, der davon so beeindruckt war, dass man sie fortan gewähren und das (DDR-)Grundstück landwirtschaftlich nutzen ließ. Auch nach dem Fall der Mauer änderte sich daran nichts, die Stadtregierung schaute lange weg. Dann fand man eine Möglichkeit, diese eigentlich illegale „Landbesetzung“ durch eine Pachtregelung zu legalisieren. Ein netter Stop-Over am „Osman-Kalin-Platz 0,1“ mit dem „Baumhaus An der Mauer“.
Ernsterem begegnet man auf dem City-Mauerradweg von Wittenau nach Treptow zweimal, in Wilhelmsruh/Schönholzer Heide und direkt in Treptow: frei zugänglichen Sowjetischen Ehrenmalen. Nun, die Impressionen sprechen für sich. Es handelt sich um riesige, monumentale Areale eines nationalistischen Totenkultes, der, abgesehen von seiner selbstverständlich legitimen Gedenkfunktion, insbesondere auch die machtvolle Position des Siegers über den Besiegten zum Ausdruck bringt. Zu Zeiten der Sowjetunion und des willfährigen SED-Regimes als eine Art Heiligtum betrachtet und verehrt, nimmt hier, so berichtet man, die einstige okkulte Heldenverehrung unter Putin wieder an Fahrt auf.
Die Berliner Mauer und der Kalte Krieg stehen auch im Fokus mehrerer Museen, die sich der Thematik auf unterschiedliche Weise nähern und dabei auf einzelne Teilaspekte fokussieren. Wer also tiefer in diese Materien eintauchen möchte, der könnte dort leicht Stunden und Tage verbringen.
Wir haben 3 Museen besucht, die wir allesamt wärmstens empfehlen können:
Das Deutsche Spionagemuseum am Leipziger Platz (im nahtlosen Übergang an den Potsdamer Platz) widmet sich der Geschichte und Gegenwart der Spionage, mit einem besonderen Fokus auf den Kalten Krieg. Die top-moderne Ausstellung lässt die Besucher tief in die Abgründe der Informationsbeschaffung eintauchen bei der absolut jedes Mittel recht ist, um ans Ziel zu gelangen. Selbst grundsätzlich gefestigte Persönlichkeiten werden nach dem Besuch des Deutschen Spionagemuseums von einer gewissen Paranoia heimgesucht.
Das DDR Museum in der Karl-Liebknecht-Straße 1 (direkt am Spree Ufer gegenüber dem Berliner Dom) präsentiert eine moderne, teils interaktive Ausstellung über das „künstliche Gebilde“ DDR. Klar und übersichtlich wird die Entstehung des Arbeiter- und Bauernstaats dokumentiert, von seinen ursprünglich hehren Idealen bis hin zur diktatorischen Verfremdung und Zerstörung derselben und der kompletten Abschottung vom Westen. Die Integration einer kompletten zeithistorischen Wohnung gibt interessante Einblicke in das Privatleben und Wohnen der DDR-Bürger. Die Ausstellung spiegelt Fakten wider, ist weder eine sentimentale Verklärung noch eine derbe Verunglimpfung der Vergangenheit und somit unbedingt empfehlenswert.
Das Museum in der Kulturbrauerei „Alltag in der DDR“ (Knaackstraße 97, direkt am riesigen Areal der Kulturbrauerei am Prenzlauer Berg/Pankow), liefert bei freiem Eintritt interessante Einblicke in das tägliche Leben der Menschen in der DDR. Das Museum, das von der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland betrieben wird, ist thematisch aufgebaut und legt den Fokus auf typische Lebensbereiche. Vom klassischen „Arbeiter“-Berufsleben über den Militärdienst bis hin zur Parteiarbeit, von den Nöten beim täglichen Einkauf über Freizeitbeschäftigungen bis hin zu organisierten Urlaubsreisen an die Ostsee, veranschaulicht die Präsentation sehr plakativ, wie es für Normalbürger so gewesen sein muss, in der DDR zu leben. Sehr authentisch!
Noch ein spezieller Hinweis zu den Bodenmarkierungen entlang des gesamten, innerstädtischen Mauerweges:
Kann man die Schrift normal lesen, befindet man sich augenblicklich auf ehemaligem Westgebiet.
Präsentiert sich einem der Schriftzug am Kopf stehend, befindet man sich augenblicklich auf ehemaligem Ostgebiet.
Ein entspannter Abschluss eines überwältigenden Tages am innerstädtischen Berliner Mauerradweg hat sich uns beim altehrwürdigen Zenner an der Spree in Treptow geboten. Einfach toll.
eBike und Guide:
Für unsere gesamte Tour entlang des Berliner Mauerradweges haben wir ein eBike von Berlin on Bike in der Kulturbrauerei am Prenzlauer Berg verwendet, die nicht nur alle Arten von Rädern vermieten, sondern auch spezielle Rad- und Thementouren anbieten. Begleitet wurden wir im Rahmen der ganztägigen City Tour von Sascha, einem überaus kompetenten, sprachgewandten Guide von Berlin on Bike, der sein umfangreiches Fachwissen unterhaltsam und kurzweilig zu vermitteln weiß.
JV
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