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Das Erbe ist weg!

Ein Tipp des 55PLUS-Rechtsexperten RA Dr. Wolfgang Punz.
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Erbe ist weg!


Alfred hat folgendes Problem: sein vor kurzem verstorbener Vater besaß zu Lebzeiten beträchtliches Vermögen und hinterließ 2 Kinder. Alfons ist der ältere Sohn, er hat damit gerechnet, dass er das Haus und den Hauptteil des Vermögens bekommt. Stattdessen hat sich herausgestellt, dass von dem Vermögen nichts da war, weil sein Vater 3 Jahre vor seinem Tod alles dem jüngeren Sohn geschenkt hat. Alfons ist enttäuscht und möchte wissen, was er tun kann.

Dieses Problem ist im allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch unter § 785 (Schenkungsanrechnung) geregelt. Der Erblasser kann prinzipiell zu Lebzeiten beliebig über sein Vermögen verfügen, es also verschenken. Da dies aber natürlich zu Lasten der Pflichtteilsberechtigten geht, sind diese in gewissen Fällen geschützt. Auf Verlangen von pflichtteilsberechtigten Kindern oder Ehegatten kann nämlich eine Schenkungsanrechnung begehrt werden. Dann ist das Geschenk zum Nachlass hinzuzurechnen.

Wie schaut das nun im konkreten Fall aus?
Im konkreten Fall gibt es, nachdem die Ehefrau des Erblassers ja schon verstorben ist, 2 erbberechtigte Kinder. Beide Kinder haben einen Pflichtteilsanspruch, der jeweils die Hälfte des Erbanspruches beträgt, also jeweils ein Viertel.
Da allerdings nichts mehr im Nachlass war, war auch der Pflichtteil von Alfons gleich null.
Wenn nun eine Schenkungsanrechnung durchgeführt wird, dann wird das Geschenk im Wert von EUR 1 Mio. dem Nachlass hinzugerechnet und davon die Pflichtteile errechnet. Der Pflichtteil beträgt dann also EUR 250.000,-.

Welchen Anspruch hätte Alfons?
Alfons hätte dann Anspruch auf das erhöhte Pflichtteil von EUR 250.000,- von dem er sich allfällige Schenkungen des Vaters an ihn (auch Heiratsgut, Heiratsausstattung und Zuwendungen für den Berufsantritt) abziehen lassen muss. Diesen Betrag könnte Alfons von dem beschenkten Bruder einfordern. Dieser muss ihn also auszahlen, nachdem der Nachlass dazu nicht ausreicht, muss er entweder das Geschenk herausgeben oder aber den Betrag in bar zahlen.

Kann Alfons jetzt wirklich diese Schenkungsanrechnung begehren?
Wenn wir nur die bisher geschilderten Umstände zugrunde legen, dann ja. Allerdings sind derartige Schenkungsanrechnungen meist relativ kompliziert, weil noch viele Fragen dazukommen. Zu aller erst müsste geklärt werden, welches Vermögen der Erblasser tatsächlich hatte und wann er welche Schenkungen an wen durchgeführt hat.
Dann ist zu untersuchen, wie lange die Schenkung jeweils vor dem Todesfall erfolgte und ob der/die Beschenkte eine pflichtteilsberechtigte Person war. Erfolgte die Schenkung nämlich an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person, beispielsweise die Lebensgefährtin, dann ist sie nur anzurechnen, wenn sie innerhalb der letzten 2 Jahre vor dem Todesfall gemacht wurde, ansonsten bleibt sie außer Betracht und die Lebensgefährtin kann sich über das Geschenk uneingeschränkt freuen.
Ganz wesentlich für den tatsächlichen Anspruch ist dann die Bewertung der Vermögensgegenstände, die nach unterschiedlichen teilweise durchaus komplizierten Bewertungsregeln erfolgt und daher regelmäßig einem Sachverständigen vorbehalten ist. Wenn um entsprechend viel Geld gestritten wird, dann wird ein umfangreicheres Sachverständigengutachten sehr teuer, diese Kosten sollte man daher unbedingt vorher bedenken.

Wie ist das Vorgehen?
Der Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils wegen Schenkungen verjährt 3 Jahre nach dem Tod des Geschenkgebers. Die Klage ist gegen den oder die Beschenkten zu richten und zwar auf Herausgabe des Geschenkes oder Abfindung durch Barzahlung. Aufgrund der möglicherweise hohen Kosten sollte vor einer Klage jedenfalls eine gütliche Einigung versucht werden, am besten mit Hilfe eines Rechtsanwaltes.

Es gibt dann noch weitere Punkte die zu beachten sind, wenn ein solcher Fall vorliegt, so können von Kindern auch nur Anrechnungen hinsichtlich solcher Schenkungen geltend gemacht werden, die der Erblasser getätigt hat als er bereits irgendein pflichtteilsberechtigtes Kind hatte. Für Ehegatten gilt Ähnliches, sie können eine Anrechnung nur hinsichtlich solcher Schenkungen verlangen, die der Erblasser gemacht hat, während er verheiratet war. Auch bei den Fristen für Anrechnung und Verjährung gibt es genauso wie bei den Bewertungsregeln viele Einzelfälle, die ein solches Verfahren kompliziert machen. Trotzdem sollte man sich nicht abschrecken lassen und jedenfalls seine Ansprüche genau prüfen.

Ein Tipp des 55PLUS-Rechtsexperten RA Dr. Wolfgang Punz.


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