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Alte Kochirrtümer - Teil 1
Scharfes Anbraten schließt die Poren
Welche Poren, fragt sich ein Küchenphysiker als allererstes und schaut besonders genau auf die Oberfläche seines Schnitzels. Selbst unter Zuhilfenahme schwerer Geschütze, wie Mikroskopen oder anderen Gerätschaften zur Oberflächenanalyse, wird er keine eindeutigen Poren sichten, jedenfalls nicht jene, die ihren Weg in den Witz gefunden hatten.
Was er aber sehen kann, sind mit Kollagen ummantelte Muskelfasern, Proteine, Glykogene und bei genügender Vergrößerung auch winzige Abstände zwischen den einzelnen Molekülen. Mit viel Gutem Willen also Poren, ja sogar besonders hip und up-to-date, hin und wieder Nanoporen. Wirft der Physiker dann sein Schnitzel oder Steak samt hitzebeständigem Mikroskop in die Pfanne, so denaturieren die Proteine an der Oberfläche zuerst, das heißt sie verabschieden sich aus ihrer natürlichen Gestalt, werden zu langen Fäden und verhaken und verschlaufen sich. Dadurch verändern sich sogar die Molekülabstände und damit die Nanoporen. Jetzt ist das Biskin oder was auch immer 180 Grad warm, den Proteinen viel zu heiß, weshalb sie sich sofort zerlegen und umgehend chemisch reagieren. Das können wir sogar mit bloßem Auge beobachten. Das Fleisch bräunt. Ist es dann gebraten und ruht ein wenig auf dem Teller, so bilden sich schnell rötliche Pfützen. Fleischsaft tritt aus. Die "Poren" sind offenbar noch weit geöffnet. Allerdings tritt Wasser nicht wegen der Poren aus, sondern weil es einfach keinen Platz mehr hat und von dem neu formierten und sich während der Ruhephase entspannendem Netzwerk aus denaturierten Proteinen nicht mehr gebunden und festgehalten werden kann. Auch ein schärfst in Superfett angebratenes Filet verliert auf einen Teller gebettet sichtbar Fleischsaft. Das passiert immer und ist schlichte Proteinphysik.
Klingt einleuchtend, und trotzdem wurde der Porenunsinn Grundlage einer Fettverkaufskampagne, und setzt sich bis heute noch in manch neuem Kochbuch fort. Vor allem legt es auch eine Gartechnik fest und verhindert dabei die Suche nach Neuem in den Alltagsküchen. Und allein dies ist schon schlimm genug. Die Wissenschaftler freut es dennoch: Trotz des Nichtverschließens der Nanoporen und deren küchenwissenschaftlichen Aspekte - zumindest beim Vervespern eines Steaks - in aller Munde. Man spricht sogar darüber, und das ist schon einmal ein Fortschritt.
Aus "Kulinarischer Report 2006-2007" von Dr. Thomas Vilgis, Professor am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz.
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