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Pflanzlich oder Tierisch

Mehr Pflanzliches und weniger Tierisches essen.
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Mehr Pflanzliches und weniger Tierisches essen


Vegetarische Kost ist in Deutschland weiter auf dem Vormarsch. food-pressedienst-Redakteurin Nadine Kurmis hat mit dem ernährungsmedizinischen Wissenschaftler, Autor* und Medizinjournalisten Sven-David Müller, M.Sc., über Vorteile der pflanzlich orientierten Ernährung gesprochen.

Viele Menschen in Deutschland ernähren sich vegetarisch oder sogar vegan. Wie bewerten Sie eine Ernährung, die sich stärker auf pflanzliche Kost und weniger auf Fleisch oder Fisch bezieht?

Müller: Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit ihrer Ernährungsweise und versuchen, auch ethische Aspekte in die Gestaltung ihres Kostplanes einzubeziehen. Die Zahl der Menschen, die auf alle tierischen Produkte verzichten, die sich also vegan ernähren, ist relativ gering. Aber zunehmend ziehen Gesundheitsbewusste eine vegetarische Ernährungsweise vor. Die Nähr- und Wirkstoffdichte, also der Gehalt an lebenswichtigen Vitaminen und Mineralstoffen oder ungesättigten Fettsäuren pro 100 Kilokalorien, ist in vielen pflanzlichen Lebensmitteln besonders hoch.

Zu den potentesten Lebensmitteln hinsichtlich ihres ernährungsphysiologischen Wertes gehören insbesondere dunkelgrüne Gemüse wie Brokkoli, dunkel gefärbte Beeren wie Blaubeeren oder Himbeeren, ungesalzene Nüsse, Samen, frische Kräuter, gesäuerte Lebensmittel, Pellkartoffeln und auch Pilze. Wer Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2, Hyperurikämie und Gicht, Fettstoffwechselstörungen oder Übergewicht vorbeugen möchte, sollte bei pflanzlichen Lebensmitteln reichlich zugreifen. Die Produkte sollten saisonal angebaut sein, aus der Region stammen und frisch verzehrt werden. Zubereitete Produkte sollten nicht zu lange gewässert oder Hitze ausgesetzt werden.

Was muss man beachten, wenn man sich ausschließlich pflanzlich ernährt?

Müller: Zuerst geht es natürlich um den Geschmack. Aber gerade frische und gut gereifte Lebensmittel schmecken ja gut. Von vegetarischem Fastfood – für mich heißt das Fastfood „fast Nahrung“ – halte ich nichts. Menschen, die ihre Ernährungsweise umstellen, müssen sich gut informieren, um Mangelzuständen ausweichen zu können. Aber eine Mangelernährung kann auch bei der normalen Ernährungsweise vorkommen. Auf eine Mangelernährung weisen Haarausfall, splissige Haare, unreine Haut, brüchige Fingernägel und Einrisse in den Mundwinkeln frühzeitig hin.

Menschen, die sich vegetarisch ernähren, müssen insbesondere darauf achten, dass sie ausreichend Eisen, Jod, Kalzium, Zink, B-Vitamine und Vitamin D aufnehmen. Bei einer unzureichenden Eisenzufuhr kommt es zu Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Blutarmut und sogar Haarausfall. Die Eisenaufnahme aus pflanzlichen Lebensmitteln ist im Vergleich zu tierischen schlecht. Sie kann aber beispielsweise durch Fruchtsäure oder Vitamin C gefördert werden. Daher empfiehlt es sich, zu jeder Mahlzeit ein Glas Fruchtsaft (beispielsweise Johannisbeersaft) zu trinken. Auf Schwarztee und Rotwein sollte zu den Mahlzeiten verzichtet werden, da dieser die Eisenaufnahme vermindert. Die Kalziumzufuhr kann problemlos durch kalziumreiche Mineralwässer ergänzt werden. B-Vitamine und andere essentielle Vitalstoffe bis hin zu Aminosäuren sind reichlich in Hefeextrakt und Bierhefe enthalten. Jod kann über Algen aufgenommen werden.

Über eine gezielte Nahrungsergänzung sollten Menschen, die sich vegetarisch ernähren, mit Ernährungswissenschaftlern oder Diätassistenten sprechen. Wer auf die richtige Auswahl bei den Nahrungsfetten achtet, hat mehr Genuss und eine bessere Versorgung des Organismus gewährleistet. Ideal sind Rapsöl, Leinöl und Walnussöl. Diese Öle enthalten sogar die lebenswichtigen und herzgesunden Omega-3-Fettsäuren, die sonst insbesondere in Fisch aber auch in bestimmten Algen vorkommen.

Hilft eine pflanzlich orientierte Ernährung beim Abnehmen?


Müller: Pflanzlich orientierte Ernährung bedeutet, dass reichlich sättigende Ballaststoffe und kaum Dickmacher zugeführt werden. Vegetarier haben es bei der Gewichtsreduktion viel einfacher als die klassischen Alles(fr)esser. Gemüse, Pilze, Frischobst, Kräuter und auch Kartoffeln sind relativ kalorienarm aber gut sättigend. Hunger ist der Feind von Übergewichtigen und Ballaststoffe, die nur in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen, ihr Freund. Ballaststoffe machen anhaltend satt und helfen auch, dem Insulinteufelskreis zu entkommen.

Aktuelle Studienergebnisse zeigen, dass der tägliche Konsum von einer handvoll Nüsse beim Abnehmen hilft und zudem den Stoffwechsel normalisiert. Wer schlank werden möchte, sollte sich vegetarisch oder vorwiegend vegetarisch ernähren. Wichtig ist aber, dass nicht zuviel Süßes (Zucker, Honig oder Dicksäfte) sowie Öle aufgenommen werden.

Kann man sich gesund ernähren, wenn man ausschließlich auf vegetarische Lebensmittel setzt?


Müller: Sofern es sich nicht um eine rein pflanzliche also vegane Ernährungsweise handelt, ist es kein Problem, bei einer vegetarisch orientierten Kost „Gesundheit mit Messer und Gabel zu essen“. Die Kombination aus Gemüse (roh und gekocht), Frischobst aber auch Trockenobst, Pilzen, Hülsenfrüchten, Pilzen, Kräutern, Sprossen, Algen, Vollkorngetreide, Pseudogetreide wie Quinoa, milchsaure Produkte wie Sauerkraut oder Brottrunk, Pellkartoffeln, Reis, Nudeln, Nüssen und Samen, hochwertigen Pflanzenölen und auch fettarmen Milchprodukten oder Hühnereiern deckt alle Anforderungen an eine gesundheitsbewusste Ernährungsweise, die auf Nahrungsergänzungsmittel verzichten kann. Grundsätzlich lässt sich eine Fehlernährung aber ohnehin nicht durch Nahrungsergänzungsmittel ersetzen.

Anstatt auf Vitamin- und Mineralstoffpräparate aus der pharmazeutischen Industrie zu setzen, die oftmals in Megadosierungen oder unphysiologischen Kombinationen enthalten sind, bieten sich natürliche Vitalstoffkonzentrate wie Sanddorndicksaft, Hagebuttenkonzentrat, Bierhefe und Hefeextrakte oder Tomatenmark zur Verbesserung der Vitamin- und Mineralstoffversorgung an und auch die Zufuhr von sekundären Pflanzenstoffen verbessert sich. Wissenschaftliche Studien beweisen, dass die Bioverfügbarkeit von Vitalstoffen aus Lebensmitteln besser ist, als aus künstlich hergestellten Vitaminen, die isoliert zugeführt werden. Um alle essentiellen Nähr- und Wirkstoffe ausreichend zuzuführen, braucht der Mensch viele Informationen über die Zusammensetzung der Nahrung. Dafür ist eine Nährstoff-Ampel oder ein Kalorien-Nährwert-Lexikon hilfreich, das über den Gehalt an Nähr- und Wirkstoffen sowie Vitaminen aufklärt.

Die wichtigen Probiotika müssen nicht über Joghurt, sondern können auch über frisches Sauerkraut, Kombucha oder Brottrunk aufgenommen. Diese Produkte sind vegetarisch und enthalten keinen Milchzucker. Eine vegetarische Ernährungsweise führt selten zu einer Überladung des Organismus mit Purin-Körpern, Kochsalz, Zusatzstoffen oder gesättigten Fettsäuren. Zudem ist eine vegetarische Ernährungsweise in der Regel kalorienärmer und liefert kaum oder kein Cholesterin. 

Welche Gefahr geht von zu starkem Fleischverzehr aus?

Müller: Grundsätzlich ist Fleisch natürlich kein gefährliches Lebensmittel. Aber viele Menschen möchten aus persönlichen Gründen darauf verzichten. Wer große Fleischmengen verzehrt, schädigt damit nicht nur die Umwelt und unterstützt oftmals Tierquälerei, sondern kann auch die Gesundheit schädigen. Menschen die unter Hyperurikämie leiden, sollten auf Fleisch und Fleischwaren verzichten, da diese Lebensmittel reichlich Purin enthalten. Purin wird im Körper zu Harnsäure abgebaut. Eine Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut kann zu Gichtanfällen führen.

Die Kombination aus reichlich Fleisch und Bier ist für Hyperurikämiker besonders gefährlich. Fettreiche Fleischsorten und insbesondere Wurstwaren wie Teewurst oder Leberwurst enthalten reichlich gesättigte Fettsäuren. Diese fördern die Insulinresistenz, erhöhten die Blutfettwerte und können bei Bewegungsmangel zu Übergewicht führen. Das Fettproblem der Bevölkerung in Deutschland stammt nicht in erster Linie aus einem zuviel an Butter, Margarine und Öl, sondern insbesondere aus einer falschen Auswahl und reichlichem Genuss von Fleisch und Fleischwaren.

Studien zeigen zudem, dass rotes Fleisch – also Rindfleisch – die Krebswahrscheinlich erhöhen kann. Ein Risiko steckt auch in gepökelten Fleischwaren, die Nitritpökelsalz enthalten. Werden gepökelte Produkte wie Kassler oder Schinken gegrillt oder gebraten, entwickeln sich krebserregende Nitrosamine. Eine echte Gesundheitsgefahr stellt das wohl beliebteste Fastfood in Deutschland dar: Gyros ist teilverbranntes Fleisch und bei der Krustenbildung entstehen reichlich Kanzerogene und das heißt nichts anderes als krebserregende Substanzen. Das Wort Röststoffe klingt nett – in Wirklichkeit sind Röststoffe aus eiweißreichen tierischen Produkten aber eine Gesundheitsgefahr. Nicht übersehen werden darf, dass rohes Gehacktes nicht nur für schwangere Frauen eine Gesundheitsgefahr darstellt und Wildfleisch Parasiten wie Trichien enthalten kann. In meinem Buch „Die 50 besten und die 50 gefährlichsten Lebensmittel“ findet man unter den besten Lebensmitteln besonders viele pflanzliche und unter den gefährlichsten Lebensmitteln viele tierische Lebensmittel.   

* Die 50 besten und die 50 gefährlichsten Lebensmittel, Schlütersche Verlagsgesellschaft, Sven-David Müller, 2009, 12,90 Euro

Quelle: Interview mit Sven-David Müller, M.Sc - food-pressedienst, Hamburg

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