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Fibromyalgie

Schmerzen, die vorerst oft unerkannt bleiben.
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Fibromyalgie: Wenn der Körper schmerzt


© Dr. Andrea Vass, Privat / Dr. Andrea Vass / Zum Vergrößern auf das Bild klickenObwohl sie als „Faser-Muskel-Schmerz“ bezeichnet wird, ist die Fibromyalgie doch weitaus komplexer. Ihre Ursachen sind praktisch unbekannt, sie setzt sich aus einer Reihe verschiedener Symptome zusammen und belastet die Betroffenen erheblich, wie die Neurologin Dr. Andrea Vass im Gespräch mit Medizinjournalistin erläutert.

Was versteht man ganz allgemein unter dieser Erkrankung?

Primär handelt es sich bei der Fibromyalgie um eine Fülle von Symptomen bzw. einen Symptomenkomplex. Es ist keine schwere Krankheit, sondern bezeichnet das Auftreten von Schmerzen in verschiedenen Körperregionen kombiniert mit zahlreichen anderen Beschwerden. Man kann sie durchaus als Ausschlussdiagnose bezeichnen.

Wie äußert sie sich genau?

Schmerzen, die von Fasern und Muskeln ausgehen, sind immer ein Hinweis. Hinzu kommen meist Schlafstörungen, ein Reizdarmsyndrom, in manchen Fällen Depressionen oder Angst. Es ist eine Kombination aus diversen körperlichen und psychosomatischen Symptomen, die wir bei Betroffenen feststellen. Vor der Diagnose gilt es, zum Beispiel rheumatische Erkrankungen auszuschließen. Die Fibromyalgie ist ein nicht entzündlich bedingtes Schmerzsyndrom mit chronischen Weichteilbeschwerden, deshalb müssen entzündliche Krankheiten ausgeschlossen werden.

Wie gestaltet sich die Diagnosestellung?

Nicht selten vergeht eine gewisse Zeit, bis die Patienten diagnostiziert werden. Viele haben eine langwierige Arztsuche hinter sich, werden als psychisch problematisch oder neurasthenisch eingestuft. Die Fibromyalgie kann weder durch Bildgebung sichtbar gemacht werden, noch sieht man den Betroffenen irgendetwas an. Sie haben zum Beispiel keine typischen neurologischen Ausfälle wie Bandscheibenpatienten. Deshalb führt man zunächst ein ausführliches Gespräch. Manche Kollegen ziehen zur Diagnosestellung die sogenannten Tender Points mit ein. Das sind 18 Punkte an den Knien, dem Hals, den Armen, dem Hinterhaupt etc. Schmerzen elf davon, wenn der behandelnde Arzt draufdrückt, gilt das als Anhaltspunkt. Allerdings ist diese Form kritisch zu betrachten, da ja jeder Mensch unterschiedlich fest drückt und Schmerzen immer subjektiv wahrgenommen werden. Eine eindeutige Diagnose gestaltet sich deshalb schwierig. Da die Ursachen nicht eindeutig geklärt sind, gehen wir von biopsychozialen Gründen aus. Druckschmerz im Bereich von Sehnenansätzen gilt als möglicher Hinweis. Der Patient muss also in jedem Fall körperlich untersucht werden.

Ist das Auftreten dieses Symptomenkomplexes vom Alter abhängig?

Nein, das kann jeden Menschen betreffen. Frauen sind häufiger damit konfrontiert. Bei jungen Leuten sind Stress und Überlastung häufige Faktoren, die diese Problematik hervorrufen können.

Wie gestaltet sich der Verlauf?

Völlig unterschiedlich. Es gibt Patienten, die anhand verschiedener Therapiemöglichkeiten vollständig genesen. Andere wiederum können die Symptome aktiv verbessern – Stichwort Lebensstilmodifikation.

Welche Behandlungsoptionen stehen denn zur Verfügung?

Manchen Patienten helfen Schmerzmittel, andere wiederum müssen psychisch gestärkt werden. Es besteht immer die Gefahr, in eine Schmerzspirale hineinzugeraten, die durchbrochen werden muss. Alle Patienten sollten aktiv werden und sich nicht von der Angst vor dem Schmerz „lähmen“ lassen. Bewegung kann durchaus helfen, ebenso wie Wärme, psychotherapeutische Maßnahmen oder Gespräche. Das ist individuell verschieden. Es gilt, den Betroffenen klarzumachen, wie wichtig es ist, sich zu bewegen und nicht noch weiter zu verkrampfen. Da nichts gebrochen oder entzündet ist, kann man mit Bewegungstherapie und Aktivität nichts falsch machen.

Nachdem psychische Belastungen häufig mithineinspielen, kann der Einsatz eines Antidepressivums durchaus hilfreich sein. Nicht selten geht die Fibromyalgie mit Serotonin-, Dopamin- und Noradrenalin-Mangel einher, weil die Patienten permanent erschöpft sind oder gegen die Schmerzen ankämpfen. Die Schmerzverarbeitung funktioniert dann nicht mehr einwandfrei, weshalb man in diesen Fällen den Körper entsprechend unterstützen sollte.

Welche Anzeichen sollten Menschen auf keinen Fall ignorieren?

Schlafstörungen. Wenn man aufgrund von Schmerzen aufwacht oder keinen Schlaf findet, kann das ein Hinweis sein.

Dr. Andrea Vass ist Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, ist im Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler tätig und betreibt eine Ordination im 17. Wiener Gemeindebezirk. Sie ist auf Störungen peripherer Nerven spezialisiert.

Nähere Informationen:
www.andreavass.at

Ein Gesundheitsbeitrag von Mag. Sonja Streit.
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